Es gibt im Wesentlichen zwei Varianten staatlicher Rechtsnormen: Gesetze und Verordnungen. Gesetze werden durch den Gesetzgeber, also durch Bundestag und Bundesrat bzw. durch die Landtage, verabschiedet. Verordnungen erlässt die Bundes- oder Landesregierung oder ein einzelnes Ministerium aufgrund einer in einem Gesetz eingeräumten Befugnis. Während ein Gesetz in Grundrechte eingreifen kann, darf eine Verordnung dies nur, wenn der Grundrechtseingriff bereits im Gesetz vorgesehen ist. Allgemein gesagt muss das Gesetz alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen und darf diese nicht der Regierung überlassen.
Das sind in erster Linie staatsorganisationsrechtliche Gesichtspunkte. Für den Bürger macht es praktisch keinen Unterschied, ob eine bestimmte Regelung nun in einem Gesetz oder in einer Verordnung zu finden ist. Trotzdem kann es manchmal nicht uninteressant sein, ob eine bestimmte Rechtsnorm nun ein Gesetz oder eine Verordnung ist. So viel kann man dazu sagen: Der Name der Rechtsnorm alleine hilft nicht unbedingt weiter.
Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass ein Gesetz drin ist, wenn Gesetz draufsteht. Das Wohnungseigentumsgesetz ist ein Gesetz, ebenso wie das „Gesetz zum Schutz der Teilnehmer am Fernunterricht“. Einige sehr grundlegende Gesetze wie das Strafgesetzbuch, das Handelsgesetzbuch und das Bürgerliche Gesetzbuch tragen auch den Titel „Gesetzbuch“ – auch das sind aber nur ganz normale Gesetz, die also keinerlei Vorrang gegenüber anderen Gesetzen genießen. Um eine Verordnung handelt es sich dagegen bei der „Verordnung über die Erprobung einer neuen Ausbildungsform für die Berufsausbildung im Laborbereich Chemie, Biologie und Lack“ oder bei der „Verordnung über die Festsetzung des Nationalparks Hochharz“.
Das ist relativ unproblematisch. Nun gibt es aber auch einige Rechtsnormen, die den kryptischen Namen „-ordnung“ tragen. Das ist vom Klang her recht nahe an „Verordnung“ und doch sind bspw. die Strafprozessordnung, die Insolvenzordnung und die Zivilprozessordnung Gesetze. Wie ist es nun mit der Straßenverkehrsordnung (StVO), einer der relevantesten und bekanntesten Vorschriften? Diese ist lediglich eine Verordnung, übergeordnet ist das weit weniger geläufige Straßenverkehrsgesetz (StVG).
Wenn man sich für die Rechtsnatur einer Norm interessiert, dem hilft unter Umständen die Übersicht des Bundesjustizministeriums weiter: Unter www.gesetze-im-internet.de finden sich zahlreiche Gesetze, Verordnungen, Abkommen und andere Vorschriften. Dort werden beim jeweiligen Gesetz einige Hinweise zum Redaktionsstand gegeben. Bei der Insolvenzordnung heißt es zum Beispiel:
„Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2866), die zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 31. August 2013 (BGBl. I S. 3533) geändert worden ist“
Das ist der Komplettname der InsO. Und wenn diese durch ein Gesetz geändert worden ist, dann ist sie logischerweise selbst auch ein Gesetz.
Bei der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) findet man dagegen folgenden Hinweis:
Zuletzt geändert Art. 1 V v. 26.7.2013 I 2803
Diese kryptische Buchstabenfolge bedeutet ungefähr:
Die StVZO wurde zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 26. Juli 2013, veröffentlicht im Bundesgesetzblatt, Teil 1, Seite 2803.
Das Schlüsselwort ist hier natürlich „Verordnung“, in der Kurzfassung durch ein schlichtes „V“ wiedergegeben. Da eine Verordnung nur eine andere Verordnung ändern kann, ist also auch die StVZO eine Verordnung.
So weit ist das also recht einfach. Und nun wenden wir uns der Fahrerlaubnis-Verordnung zu (FeV). Die ist ja schon vom Namen her eine Verordnung, also müssen wir eigentlich in die näheren Hinweise gar nicht erst reinschauen. Tun wir es trotzdem:
„Fahrerlaubnis-Verordnung vom 13. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1980), die durch Artikel 1 der Verordnung vom 16. April 2014 (BGBl. I S. 348) geändert worden ist“
Stand: Zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 14 G v. 3.5.2013 I 1084
„Art. 2 Abs. 14 G v. 3.5.2013“ bedeutet, ähnlich wie oben, „Artikel 2, Absatz 14 des Gesetzes vom 3. Mai 2013“. Da steht nun auf einmal Gesetz. Ist diese Verordnung also nun ein Gesetz? Wo sie doch Verordnung heißt und auch mal durch eine andere Verordnung geändert wurde. Nein, die FeV ist trotzdem eine Verordnung und wird normalerweise nur auf dem Verordnungsweg geändert. Durch das Gesetz vom 3. Mai 2013 (Meldewesen-Fortentwicklungsgesetz) wird in Artikel 1 ein neues Bundesmeldegesetz eingeführt und in Artikel 2 werden dementsprechend die Verweise auf dieses Gesetz in anderen Rechtsnormen geändert. Und Art. 2 Abs. 14 führt eine redaktionelle Änderung in der Fahrerlaubnisverordnung durch.
Tatsächlich wird also die Verordnung gar nicht wirklich inhaltlich geändert, es wird nur dafür gesorgt, dass sie nicht auf Gesetzesvorschriften verweist, die es so nicht mehr gibt. Daher kann ein Gesetz – das hierarchisch über einer Verordnung steht – diese auch ändern, ohne dass die Gewaltenteilung berührt wird.
Und dann haben wir noch die Schiffsregisterordnung (SchRegO). Hier finden wir die Anmerkung:
Die V gilt gem. Art. 1 G v. 26.5.1951 I 355 als Bundesgesetz fort
Die Verordnung gilt also als Bundesgesetz fort, sie hat folglich ihre Rechtsnatur gewandelt. Warum man diese Vorschriften zunächst als Verordnung erlassen hat, obwohl man später der Meinung war, ein Gesetz sei notwendig, lässt sich mit einem Blick auf das Datum des ersten Erlasses der SchRegO erklären: Am 19. Dezember 1940 gab es in Deutschland keine Gewaltenteilung mehr, die Reichsregierung konnte aufgrund des Ermächtigungsgesetzes auch Gesetze verabschieden und von daher war die Unterscheidung zwischen Gesetz und Verordnung praktisch obsolet geworden.
Einige andere „Ordnungen“ können übrigens verschiedenste Arten von Rechtsnormen sein. So sind Hausordnungen öffentlicher Gebäude häufig Satzungen, während z.B. die bayerische Gymnasialschulordnung eine Verordnung ist.
Freilich kann es einem normalen Bürger in aller Regel ziemlich egal sein, wie eine bestimmte Vorschrift nun ins juristische Raster passt – daran halten muss er sich in jedem Fall. Während aber der Gesetzgeber bei formellen Gesetzen eine ziemlich große Freiheit hat und sich lediglich an der Verfassung messen lassen muss, lohnt es sich gerade bei untergesetzlichen Normen schon, einmal genauer hinzuschauen. Denn vor allem hier sind Einschränkungen von Bürgerrechten oftmals nicht zulässig.