Die Zwangseinmietung von Asylbewerbern

berlin-701535_1920Im Zuge der steigenden Zahl von Asylsuchenden in Deutschland wurde immer wieder die Möglichkeit einer zwangsweisen Unterbringung in Privatwohnungen diskutiert. Dieser Artikel soll aufzeigen, inwieweit dies derzeit in Bayern möglich ist und welche Folgen dies im Einzelfall hätte.

Einweisungen von Personen in fremde Wohnungen haben wenig mit Asylbewerbern zu tun. Der Standardfall einer solchen Maßnahme ist die Wiedereinweisung eines gekündigten und häufig bereits geräumten Mieters in seine bisherige Wohnung. Dies kommt – wie ein Blick auf die Rechtsprechung zeigt – nicht massenhaft, aber doch immer wieder vor.

Rechtsgrundlage ist das Sicherheitsrecht

Rechtsgrundlage hierfür ist das Bayerische Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG). Der Name dieses Gesetzes ist etwas irreführend, um das Strafrecht geht es hier in aller Regel nicht. Vielmehr handelt es sich um eine Art Polizeirecht für nichtpolizeiliche Sicherheitsorgane, regelmäßig die Gemeinden. Daher wird diese Sparte des öffentlichen Rechts häufig als „Polizei- und Sicherheitsrecht“ zusammengenommen.

Hauptziel des LStVG ist die Aufrechterhaltung der „öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ (Art. 6). Diese ist durch die Obdachlosigkeit einer Person gestört, da dies eben eine Form unsicheren und unordentlichen Verhaltens ist. Ob man dies nun wirklich unter den Begriff subsumieren würde, ist unerheblich, die Rechtsprechung dazu ist absolut eindeutig.

Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 erlaubt dabei das Treffen von Anordnung für den Einzelfall, „um Gefahren abzuwehren oder Störungen zu beseitigen, die Leben, Gesundheit oder die Freiheit von Menschen oder Sachwerte, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten erscheint, bedrohen oder verletzen.“ Obdachlosigkeit stellt zweifellos eine Gesundheitsgefahr für den Betroffenen dar.

Wohnungseigentümer als Nichtstörer

Also kann die Behörde Anordnungen treffen, um die Obdachlosigkeit zu beenden. Nun mag man sich fragen „Was geht das den Wohnungsbesitzer an? Dann soll die Gemeinde halt den Obdachlosen anweisen, sich eine Wohnung zu suchen und/oder ihm dabei helfen!“. Tatsächlich ist das auch die Haltung des Gesetzes. Art. 9 Abs. 1 sagt, dass zunächst derjenige als Adressat von Maßnahmen heranzuziehen ist, dessen Verhalten die Gefahr verursacht hat („Störer“). Auf ein Verschulden kommt es dabei nicht an, also auch der schuldlos obdachlose Asylbewerber ist Störer. Wenn dies allerdings wenig sinnvoll ist, da der eigentliche Störer an der Lage nichts ändern kann, kann auch eine andere Person („Nichtstörer“) herangezogen werden. Und so ist es in diesen Fällen fast immer, denn der Obdachlose hat sich dies ja nicht ausgesucht und kann nicht von einem Tag auf den anderen eine Wohnung finden, nur, weil ihm die Behörde dies aufträgt.

Bis hierhin befinden wir uns beim oben erwähnten „Klassiker“ der Wohnungseinweisung. Dabei stellt sich auch nicht die Frage, in welche Wohnung der Obdachlose eingewiesen wird: Natürlich nimmt man zunächst die Wohnung, in der er bisher schon gewohnt hat. Zwar ist auch der Vermieter, der rechtmäßig gekündigt hat, Nichtstörer. Aus legalem zivilrechtlichem Handeln kann ihm auch verwaltungsrechtlich kein Vorwurf gemacht werden. Aber es ist naheliegend, gerade ihn heranzuziehen, weil damit das Obdach am einfachsten verschafft werden kann – er bleibt dann halt einfach in der Wohnung.

Heranziehung eines bestimmten Vermieters

Aber welchen Nichtstörer zieht man bei der Unterbringung von Asylbewerbern heran? Hier gibt es ja keinen „alten“ Vermieter, der naheliegendstes Ziel einer staatlichen Maßnahme wäre. Das LStVG ist hier relativ indifferent: Es spricht insoweit nur von „einer anderen Person“, die herangezogen wird (Art. 9 Abs. 3 Satz 1). Damit ist es ins Ermessen der Behörde gestellt, an wen sie herantritt. Ermessen bedeutet freilich nicht Willkür, es müssen also nachvollziehbare Kriterien gefunden und vernünftige Erwägungen angestellt werden. So wäre es bspw. kaum zu beanstanden, wenn zunächst gewerbliche Vermieter vor privaten zur Vermietung angewiesen werden und erst länger leerstehende Wohnungen beschlagnahmt werden. Sofern kein wirklicher Ermessensfehler vorliegt, wird man also die Auswahl der Gemeinden nicht rechtlich angreifen können.

Erforderlichkeit und Angemessenheit

Die Maßnahme ist grundsätzlich auch erforderlich, Art. 8 Abs. 1 LStVG, wenn es kein milderes Mittel zur Beseitigung der Problematik gibt. Dabei sind freilich hohe Anforderungen an den Staat zu stellen, bevor er in das Eigentumsgrundrecht seiner Bürger eingreift: Zunächst muss versucht werden, auf dem freien Markt Wohnungen zu finden oder gemeindliche Sozialwohnungen zu belegen bzw., soweit noch nicht vorhanden, zu bauen. Dies ist freilich in akuten Situationen wie der fristlosen Kündigung eines Mieters häufig nicht in der gebotenen Kürze möglich. Bei großen Zahlen Asylsuchender stellt die die Problematik erst recht.

Letzter Prüfungsmaßstab ist die Angemessenheit der Maßnahme gemäß Art. 8 Abs. 2 LStVG. Hier wird eine Verhältnismäßigkeit zwischen dem Eingriff in das Eigentum eines Nichtstörers und den drohenden Gefahren für den potentiellen Obdachlosen gefordert. Diese ist durchaus problematisch, da eine solche faktische Enteignung einer besonderen Rechtfertigung bedarf, zumal ja nicht der einzelne Wohnungseigentümer der Träger der Sozialhilfe ist, sondern der Staat. Dass dieser seinen Verpflichtungen nicht nachkommen kann, ist nicht das Problem des Bürgers; dieser muss grundsätzlich nicht für den Staat „einspringen“. Um diesem Dilemma zu begegnen, fordert die Rechtsprechung eine zeitliche Begrenzung der Zwangseinweisung. Hieraus wird eine Befristung auf maximal zwei Monate für rechtmäßig gehalten. Innerhalb dieser Frist kann und muss der Staat andere Möglichkeiten finden, die niemanden in seinem Eigentum belasten. Umgekehrt ist eben eine Zwangsvermietung für einen derart überschaubaren Zeitraum noch zumutbar.

Rechtsfolge: Entschädigung in üblicher Miethöhe

Selbstverständlich hat der Wohnungseigentümer ein Recht auf Entschädigung. Gemäß Art. 11 Abs. 1 Satz 1 LStVG richtet sich die Entschädigung nach Art. 70 des Polizeiaufgabengesetzes (PAG). Hiernach (Abs. 1 und 7) haben Nichtstörer einen Anspruch ihrer Vermögensschäden. Im konkreten Fall bedeutet das also, dass der Vermieter den Betrag als Entschädigung verlangen kann, der ihm durch die staatliche Maßnahme entgeht, also die marktübliche Miete. Auch eventuelle Schäden an seiner Wohnung durch die eingewiesenen Mieter kann er geltend machen. Insofern handelt es sich also zumindest unter dem Strich um keine vollständige Enteignung – wenngleich man die Tatsache, dass der Staat einen zur Vermietung verpflichtet, nicht leicht nehmen sollte.

Ob diese Maßnahmen nun mehr werden, kann man schwer sagen. Für den Staat ist diese Form der Wohnraumverschaffung für seine Zwecke alles andere als billig und stellt auch nur eine höchst vorübergehende Notlösung dar.

Heuchlerischer Staat

Es ist schon etwas verwunderlich, dass der Staat nun ausgerechnet die privaten Vermieter entdeckt hat, um den Wohnungsmangel zu lindern. Schließlich ist das derselbe Staat, der durch teilweise aberwitzige Bauvorschriften den Eigentümern vorschreibt, welche und wie viele Häuser sie auf ihrem eigenen Grund und Boden bauen dürfen. Es ist derselbe Staat, der Jahr für Jahr neue Mieterschutzvorschriften erlässt, die den Bau neuer Wohnungen laufend unattraktiver machen. Und schlussendlich ist das auch derselbe Staat, der uns glauben lässt, er sei der einzige Akteur, der Infrastrukturprojekte sinnvoll durchführen kann.

Aber jetzt sollen auf einmal die Privaten in die Bresche springen, weil der Staat nicht mehr weiter weiß? Es ist heuchlerisch, dass die Politik nun auf einmal so tut, als hätten die Wohnungseigentümer eine Pflicht, dem Staat hier zu helfen. Wer an die Solidarität der Vermieter appelliert, sollte sie eben vorher nicht jahrzehntelang als Abzocker und Ausbeuter brandmarken, die man durch immer rigorosere Vorschriften im Zaum halten muss. Es ist – wie gezeigt – so, dass der Staat im Wege des öffentlichen Rechts Wohnungen kurzfristig beschlagnahmen kann. Aber Wohnungen, die nicht existieren, weil man das Geld lieber in Aktien angelegt hat, kann kein Bürokrat mit Zwangsmietern belegen.

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