Die Problematik der Abnahme beim Werkvertrag

Bei einem Werkvertrag (§ 631 BGB) wird, wie der Name schon sagt, ein Werk gefordert. Ein Werk ist ein bestimmter Erfolg, der Kunde zahlt also nur für das vertraglich festgesetzte Ergebnis. Das können beispielsweise Handwerkerarbeiten sein, aber auch der Plan eines Architekten, die Beförderung mit Verkehrsmitteln, ein Sachverständigengutachten oder das Programmieren von Software.

Ohne Abnahme kein Werklohnanspruch

Der Werkvertrag ist selbstverständlich in aller Regel entgeltlich, das sagt schon § 632, ist normalerweise aber auch im Vertrag selbst vereinbart. Etwas ungewöhnlich geregelt ist dagegen die Frage, wann der Unternehmer seine Entlohnung verlangen kann. § 641 Abs. 1 BGB sagt, dass die Vergütung bei der Abnahme fällig wird. Abnahme ist laut einer dieser herrlichen zivilrechtlichen Definitionen die „körperliche Entgegennahme des Werks als im Wesentlichen vertragsgemäß“. Der Kunde schaut sich das fertige Werk also an, sagt „Ja, passt“ und erst dann bekommt der Unternehmer sein Geld.

Diese Konstruktion wirkt problematisch und sie ist es auch – denn demnach könnte der Kunde einfach die Abnahme verweigern und dem Unternehmer damit seinen Lohn streitig machen. Damit das nicht ganz so einfach geht, sagt § 640 Abs. 1 Satz 1, dass der Kunde verpflichtet ist, das Werk abzunehmen, wenn es vertragsgemäß ist. Damit der Unternehmer diese Pflicht nicht gesondert einklagen muss, sagt Satz 3, dass die Abnahme auch dann als erfolgt gilt, wenn der Unternehmer eine Frist dafür gesetzt hat und der Kunde sie trotzdem verweigert.

Fristsetzung für Abnahme kaum praxistauglich

Trotzdem ist das sehr formalistisch und kompliziert: Welcher Handwerker sagt denn „Lieber Kunde, nehmen Sie das Werk bitte innerhalb von zwei Wochen ab, und danach zahlen Sie dann die Rechnung“? Wenn der Handwerker kein studierter Jurist ist, wird er ganz einfach den Rechnungsbetrag anmahnen, denn schließlich glaubt er ja, alles getan zu haben, wozu er verpflichtet war. Dieses Problem löst sich vielleicht etwas auf, da in der Rechnungsstellung – möglicherweise, je nach den Umständen des Einzelfalls – eine Aufforderung zur Abnahme zu sehen ist.

Beispielsfall

Wie ist aber nun folgender Fall zu beurteilen:

Kunde K beauftragt Handwerker H, in seiner Küche, seinem Esszimmer und seinem Wohnzimmer jeweils Parkett zu verlegen. Am ersten Tag beginnt H mit der Küche und verlegt ordnungsgemäß. K ist aber nicht zufrieden.
K: „Sie haben keinen Trittschall verlegt. Wir hatten Trittschall vereinbart.“
H: „Nein, haben wir nicht. Ich hab gesagt, dass Trittschall Aufpreis kostet und den wollten Sie nicht zahlen.“
K: „Gar nicht wahr, wir haben extra noch verhandelt und Sie haben mir kostenlosen Trittschall als Rabatt angeboten.“
H: „Keinesfalls, dann verdien ich an dem ganzen Auftrag ja nichts mehr. Und das ganze Parkett bau ich bestimmt nicht mehr aus, nur wegen dem blöden Trittschall!“
K: „Gut, dann ist der ganze Auftrag jetzt gestorben, ich trete vom Vertrag zurück.“

Nehmen wir an, dass H Recht hat. Dann kann er den K nun zur Abnahme auffordern und bei weiterer Weigerung des K tritt die Abnahme (und mit ihr der Entlohnungsanspruch) trotzdem ein.

Restlohn würde vereitelt

Was passiert aber mit den beiden anderen Räumen? Voraussetzung für die Rechnungsstellung ist die Abnahme und Voraussetzung für die Abnahme ist die Fertigstellung des Werks. In dieser Situation kommt es aber nicht zur Fertigstellung. Damit scheidet auch die oben erwähnte fingierte Abnahme aus.

Soll der Kunde nun einfach so aus dem Vertrag herauskommen? Und soll, umgekehrt gesehen, der Handwerker einfach so einen lukrativen Auftrag verlieren? Schließlich ist nicht damit zu rechnen, dass er so schnell einen anderen Kunden findet, an dem er dasselbe verdient.

Im Gesetz ist hierzu leider nichts geregelt. Zwar sieht § 642 einen Schadenersatzanspruch des Unternehmers vor, wenn der Kunde Mitwirkungshandlungen unterlässt, also ihm zum Beispiel den Zugang zu den Räumen, in denen er arbeiten soll, nicht gewährt. Sagt der Kunde aber „Ich lass dich schon rein, verleg mal schön und ob ich dann was zahle, siehst du schon“, dann ist § 642 nicht erfüllt. Der Unternehmer würde also in einer verfahrenen Situation ganz erheblich in Vorleistung gehen und ein hohes Risiko eingehen. Dieser Fall ist aber so nicht vorgesehen. Daher muss man, wie immer, wenn man nicht weiterkommt, auf das Totschlagargument der Juristerei zurückgreifen: Treu und Glauben, § 242 BGB.

Komplettabnahme wird über Treu und Glauben fingiert

Nach Treu und Glauben entspricht es hier auch der Abnahme, wenn der Kunde ankündigt, das Werk ernsthaft und endgültig nicht abnehmen zu wollen. Und dafür, das ist der Trick an dieser Konstruktion: Die Abnahme kann über § 242 – im Gegensatz zu § 642 – schon fingiert werden, bevor das Werk fertig ist.

Die „ernsthaft und endgültig“-Formel findet sich unter anderem in den §§ 281, 286 oder 323; hier wird jeweils gesagt, dass Fristsetzungen bzw. Mahnungen entbehrlich sind, wenn das Gegenüber bereits „ernsthaft und endgültig“ seine Weigerung erklärt hat. Die Überlegung dahinter ist diejenige, dass es eine sinnlose Förmelei (wiederum ein sehr beliebter Ausdruck im Zivilrecht) wäre, wenn man jemanden zu etwas auffordert, was bereits definitiv abgelehnt hat.

Unbefriedigende Lösung

Dies auf die Abnahme vor Fertigstellung zu übertragen, ist freilich etwas gewagt, im Endeffekt aber wohl interessengerecht. Denn es verlangt vom Kunden ja nicht, etwas zu bezahlen, was er überhaupt nicht bekommt. Er muss nur – in Ausnahme zu § 641 Abs. 1 – bereits vor Fertigstellung zahlen. Den Anspruch auf das Werk behält er selbstverständlich. Ein Zurückbehaltungsrecht aus § 320 hat er dann auch nicht, da er eben vorzuleisten verpflichtet ist.

Wenn man hier eine andere Lösung will, müsste tatsächlich der Gesetzgeber tätig werden.

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