Was sind eigentlich zehn Jahre?

Wenn man sich die Geltungsdauer (s)eines Personalausweises oder Reisepasses anschaut, wird man immer feststellen, dass dessen Gültigkeit am Tag vor deren Beginn endet. Also natürlich zehn Jahre später, aber einen Tag früher. Ein Ausweis, der ab dem heutigen Tag (dem 30.08.2018) gilt, behält diese Gültigkeit nicht bis zum 30.08.2028, sondern bis zum 29.08.2028. Wird uns da etwa ein Tag gestohlen?

Die gute Nachricht zuerst: Nein, uns wird nichts gestohlen. Denn vom 30.08.2018 bis zum 29.08.2028 sind es tatsächlich zehn volle Jahre, auch wenn das nicht intuitiv sein mag.

Der ganze Tag zählt

Denn jeder Tag beginnt um 0 Uhr und endet um 24 Uhr. Der Ausweis gilt also von 30.08.2018, 0:00 Uhr bis 29.08.2028, 24:00 Uhr. Diesen Tag, der uns kalendarisch geklaut wird, bekommen wir auf dem Ziffernblatt zurück. Der 29.08.2028, 24:00 Uhr ist nichts anderes als der 30.08.2028, 0:00 Uhr – und damit ganz offensichtlich volle zehn Jahre nach Gültigkeitsbeginn.

Anders betrachtet: Wenn wir pflichtgemäß rechtzeitig einen neuen Pass beantragen, dessen Gültigkeit sich nahtlos an den alten anschließt, dann gilt dieser wieder ab dem 30.08.2028. Der nachfolgende ab dem 30.08.2038. Es bleibt also bei diesem Datum. Würde uns wirklich ein Tag genommen, müsste sich dieses Datum ja laufend nach vorne verschieben.

Schließlich ist es ja auch so, dass ein ganzes Kalenderjahr vom 01.01. bis zum 31.12. geht. Hier käme auch niemand darauf, dass dieser Zeitraum weniger als das komplette Jahr umfasst.

Anders bei Ereignisfristen

Diese Vorstellung, dass sich Beginn und Ende einer Frist überschneiden müssten, stammt möglicherweise von sogenannten Ereignisfristen. Wer bspw. am 05.03. einen verwaltungsrechtlichen Bescheid bekommt, gegen den er Widerspruch einlegen möchte, hat dafür einen Monat Zeit. Dieser Monat geht dann tatsächlich bis zum 05.04.

Das liegt daran, dass der Fristlauf erst durch ein bestimmtes Ereignis, nämlich den Zugang des Bescheids ausgelöst wird. Wenn ich den Bescheid am 05.03. erst in den Mittagsstunden bekomme, hatte ich nicht den ganzen Tag Zeit, mich um den (mir noch unbekannten) Bescheid zu kümmern. Daher kann mir dieser Tag noch nicht auf die Frist angerechnet werden. Umgekehrt wäre es äußerst unpraktisch und rechtlich unsicher, wenn Fristen minutengenau laufen würden.

Daher sieht das BGB, auf das die meisten Spezialgesetze verweisen, vor, dass dieser erste Tag gar nicht mitgerechnet wird (§ 187 Abs. 1):

Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt.

Tatsächlich geht die Monatsfrist somit nicht vom 05.03. bis zum 05.04., sondern von 06.03. bis 05.04. – wieder wirkt es also so, als würde ein Tag fehlen, aber es ist eben doch ein ganzer Monat. Selbstverständlich darf man den Widerspruch aber auch schon vor Fristbeginn einlegen, die Monatsfrist ist also ein paar Stunden länger als der eigentliche Monat.

Beim Personalausweis bekommt man zwar keine Stunden geschenkt, aber auch keinen Tag gestohlen.

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