Insbesondere im Zusammenhang mit internationalen Verträgen (aktuell z.B. TTIP oder CETA) sowie mit Auseinandersetzungen im Profisport (Fall Pechstein) werden Schiedsgerichte erstmals häufiger in der Öffentlichkeit diskutiert. Dabei spielen Schiedsgerichte eine enorme Rolle in der Rechtspraxis – allerdings agieren sie meist im Verborgenen und ihre Urteile („Schiedssprüche“) dringen selten nach außen. Für ihre Einschaltung gibt es gute Gründe – und darum wird diese Art der Streitentscheidung in Zukunft immer mehr Bedeutung bekommen.
Das Zehnte Buch der Zivilprozessordnung regelt in den §§ 1025 bis 1066 das schiedsrichterliche Verfahren. Obwohl im staatlichen Prozessrecht geregelt, handelt es sich dabei gerade um kein staatliches Gericht, das hier in Aktion tritt. Vielmehr benennen die Parteien jeweils – meistens – einen Schiedsrichter und diese beiden einigen sich dann auf eine dritte Person als Vorsitzenden. Die Schiedsrichter sind also keine Richter oder Beamten, sondern private Streitschlichter.
Parteien einigen sich auf verbindliches Schiedsurteil
Trotzdem ist ihr Urteil verbindlich. Denn die Parteien haben sich zuvor darauf geeinigt, sich dem Schiedsgericht zu unterwerfen (Schiedsvereinbarung, § 1029 ZPO). Dadurch werden die staatlichen Gerichte auch von der Entscheidungsfindung ausgeschlossen, eine Klageerhebung trotz wirksamer Schiedsvereinbarung ist unzulässig (§ 1032 Abs. 1 ZPO).
Welche Gründe haben die Parteien nun, eine solche Vereinbarung zu schließen?
Die Motive mögen im Einzelfall unterschiedlich sein, jedenfalls folgende kommen in Betracht:
Schnelligkeit
Bei staatlichen Gerichten werden die Fälle regelmäßig nach der Reihenfolge des Eingangs behandelt. Im Vorfeld geschieht ein Gefecht von Schriftsätzen, die jeweils Fristen für die Gegenseitige auslösen. Die immer wieder behauptete Überlastung der Justiz tun das Ihrige zu einer längeren Verfahrensdauer. Wartezeiten von Monaten bis Jahren verzögern die Klärung der Sache bis zu einem wenigstens vorläufigen Urteil, danach können weitere Instanzen bemüht werden, bis endlich ein rechtskräftiges Urteil vorliegt.
Dagegen kann ein Schiedsgericht schnell einberufen werden, es beschäftigt sich dann auch nur mit dem Fall für den es eingesetzt wurde. Unter Umständen ist die Streitigkeit innerhalb von ein bis zwei Wochen erledigt.
Sachnähe
Ein weiteres Argument für ein Schiedsgericht ist die Sachnähe. Durch geeignete Auswahl der Schiedsrichter kann man dafür sorgen, dass sich diese mit der Thematik auskennen und daher ein praxisgerechtes Urteil fällen.
Bei staatlichen Gerichten hingegen gibt es nur relativ selten Kammern mit Spezialzuständigkeiten. In der allgemeinen Abteilung kann es passieren, dass der Richter noch nie zuvor einen vergleichbaren Fall behandelt hat. Dann müssen Kenntnisse häufig durch aufwändige und zeitraubende Gutachten und Sachverständigenaussagen ersetzt werden.
Kosten
Gerade bei hohen Streitwerten können die Kosten eines Landgerichtsprozesses enorm sein. Bei einem Streitwert von 100.000 Euro betragen die regulären Gerichtsgebühren bspw. bereits über 3000 Euro (bei 10 Mio. schon deutlich über 100.000 Euro), die der Kläger mit Klageeinreichung in voller Höhe vorschießen muss. Man muss also erst einmal erheblich in Vorleistung gehen, um dann möglicherweise ein positives Urteil zu bekommen – und stets hat man das Risiko, dem schlechten Geld noch gutes hinterhergeworfen zu haben.
Schiedsgerichtsprozesse kann man dagegen sehr günstig abwickeln, je nachdem, welche Schiedsrichtervergütung vereinbart wird.
Ob man überhaupt teure Anwälte braucht, kann frei vereinbart werden, während ab dem Landgericht aufwärts Anwaltszwang herrscht.
Diskretion
Zivilprozesse interessieren normalerweise niemanden. Wenn im Zuschauerraum ausnahmsweise einmal jemand sitzt, dann handelt es sich fast immer um Schulklassen oder Jura-Studenten. Aber bei großen Wirtschaftsprozessen kann das auch einmal anders sein. Wenn namhafte Unternehmen gegeneinander auf hohe Summen klagen, ist häufig die Presse dabei und damit werden interne Informationen der Beteiligten auf einmal publik. Der Unterlegene verliert nicht nur den Fall, sondern unter Umständen auch sein Gesicht. Andere Geschäftspartner werden durch das Urteil vielleicht ermutigt, in ähnlichen Konstellation auch vor Gericht zu gehen.
Bei einem Schiedsverfahren herrscht dagegen grundsätzlich absolute Diskretion, nicht selten tagt dieses in einem Konferenzraum einer der Parteien. Niemand bekommt etwas mit, dass das Verfahren überhaupt stattgefunden hat, von dessen Inhalt ganz abgesehen.
Wahrung der Geschäftsbeziehung
Und schließlich sollte man noch beachten, dass sich die Beteiligten nicht etwa spinnefeind sind. Wenn bspw. ein großer Autohersteller Meinungsverschiedenheiten mit einem Zulieferer hat, dann will zwar vielleicht keiner von beiden nachgeben. Aber man will trotzdem in Zukunft noch Geschäfte machen. Insofern kann ein offizielles Verfahren unschön ablaufen, weil man eben in aller Öffentlichkeit Fehler und Versäumnisse des anderen ausbreiten muss. Bei abweichenden Tatsachenschilderungen bezichtigt man den Gegner zumindest implizit, die Unwahrheit zu sagen. Das kann für die Geschäftsbeziehungen sehr negative Folgen haben.
Dagegen ist das Schiedsverfahren noch etwas friedlicher. Die Auseinandersetzung mag in der Sache genauso hart sein – es handelt sich trotzdem noch um eine Art Schlichtungsverhandlung, in der man sich normalerweise nicht in gleicher Weise als Gegner begreift.
keine Unterwerfung
Ein gerichtliches Urteil hat immer den Touch eines staatlichen Machtspruchs. Man zieht die Justiz hinzu, um den anderen verurteilen zu lassen. Dieser Entscheidung müssen sich die Beteiligten unterwerfen, sie müssen sie hinnehmen. An diesem Prinzip ändert sich auch durch die weitgehende Pflicht des Gerichts zur Hinwirkung auf einen Vergleich nichts.
Bei einem Schiedsgericht steht zwar auch ein verbindliches Urteil eines Dritten zwischen den Beteiligten, diese können sich aber immer sagen, dass die Entscheidung nur deswegen geschehen konnte, weil sich die Parteien hierauf geeinigt haben. Es handelt sich also um keinen von außen kommenden Rechtsbefehl, sondern um einen durch eigene Entscheidung konsultierten Schlichterspruch.
Ausblick
Schiedsgerichte sind aus unserer Rechtsordnung nicht mehr wegzudenken und werden auch eine immer größere Rolle einnehmen. Das genaue Ausmaß dieser Rolle lässt sich aber schwer feststellen, da aufgrund der Diskretion des Verfahrensablaufs keine aussagekräftigen Statistiken existieren. Aber allein die Tatsache, dass es in den letzten Jahrzehnten in Deutschland praktisch keine Zivilprozesse zwischen Großunternehmen gab (zumindest in Relation zu den zahlreichen Streitigkeiten, die im Geschäftsverkehr praktisch unvermeidlich sind), zeigt, dass Konflikte offensichtlich anderweitig beigelegt werden.
Auch im mittelständischen bis Verbraucherbereich wird sich die Privatisierung der Gerichtsbarkeit wohl langsam durchsetzen. Dies ist aber keinerlei Grund zum Bedauern – ein auf privatautonomer Entscheidung amtierendes Schiedsgericht hat mindestens die gleiche Berechtigung und Autorität wie ein staatliches Gericht. Wenn sich die Beteiligten auf dieses Verfahren einigen, bestehen sogar gute Chancen, dass eine solche Entscheidung eher zur Befriedung eines Streits beiträgt als ein herkömmliches Urteil.
Wer nun meint, der Staat dürfe sich nicht aus der Streitbeilegung zurückziehen und sein Entscheidungs- und Gewaltmonopol nicht aufgeben, sollte die Dinge vielleicht etwas anders sehen. Es ist vielmehr so, dass der Staat kein Recht hat, seine Entscheidungsbefugnis jemandem aufzudrängen, der das nicht will. Das ist quasi die Kehrseite des staatlichen Rechtsgewährungsanspruchs, dass man diesen Rechtsschutz nicht nutzen muss, wenn man an einer anderen Form der Streitbeilegung interessiert ist.