Zugewinnausgleich (I): Grundzüge

Wenn zwei Menschen den Bund der Ehe eingehen, stellt sich die Frage, wie die Ehegatten mit ihren jeweiligen Vermögen umgehen. Das Gesamtsystem der für eine bestimmte Ehe anwendbaren vermögensrechtliche Vorschriften bezeichnet man als „Güterstand“. Das Gesetz kennt im Wesentlichen drei Güterstände:

  • Gütergemeinschaft: Das Vermögen beider Ehegatten verschmilzt zu einer Masse, die beiden gleichmäßig zusteht.
  • Gütertrennung: Die Vermögen bleiben strikt voneinander getrennt.
  • Zugewinngemeinschaft: Die Vermögen bleiben zwar getrennt, im Falle einer Scheidung erfolgt aber ein gewisser Ausgleich.

In einer Ehe gilt in der Regel der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft.

Die Zugewinngemeinschaft beruht auf der Vorstellung, dass Mann und Frau in der Ehe gemeinsam und gleich produktiv arbeiten. Beide haben jeweils hälftigen Anteil am finanziellen Erfolg der Ehe – und das gilt ausdrücklich auch, wenn eine Topmanagerin mit einem Hausmann verheiratet ist. Sofern also am Ende einer Ehe (Scheidung oder unter Umständen auch Tod) unterschiedliche Vermögenszuwächse bei den Ehegatten vorliegen, ist dies grundsätzlich dem Zufall geschuldet und muss daher ausgeglichen werden.

Die Rechenschritte sind im Grunde denkbar einfach: Man rechnet aus, um wieviel jeder Ehegatte reicher ist als vor der Ehe und ordnet eine Ausgleichszahlung an.

1. Berechnung des Anfangsvermögens

Es muss ausgerechnet werden, wieviel jeder Ehegatte am Beginn der Ehe hatte. Vom Vermögen müssen natürlich Verbindlichkeiten abgezogen werden. (§ 1374 Abs. 1 BGB) Sind mehr Schulden als Werte vorhanden, ist das Anfangsvermögen eben negativ. (§ 1374 Abs. 3)

Stichtag ist also die Eheschließung. In den seltenen Fällen, in denen zunächst ein anderer Güterstand gewählt wurde und erst dann die Zugewinngemeinschaft vereinbart wurde, ist Stichtag der Beginn der Zugewinngemeinschaft.

Nun wird der Wert aller Vermögensgegenstände zum Beginn der Ehe ermittelt. Dies ist naheliegenderweise nicht so besonders einfach – wer kann schon sagen, wieviel ein Pelzmantel vor 35 Jahren wert war? Wieviel war damals auf einem Sparbuch? Wurde die Goldkette vor oder nach der Hochzeit angeschafft? War der Handwerksbetrieb damals schon lukrativ oder wurde er erst während der Ehe saniert? In der Praxis wird daher in erster Linie versucht, große und leicht nachvollziehbare Vermögenswerte wie Grundstücke in die Rechnung einzubeziehen und alles andere außen vor zu lassen – sofern die Ehegatten einigermaßen zivilisiert miteinander umgehen.

Um die schwankende Kaufkraft zu berücksichtigen, wird das Anfangsvermögen „indexiert“. Man rechnet hoch, welchen Geldwert die ermittelte Summe zum Ende der Ehe hat. Hierfür verwendet man den Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamts. Im BGB-Kommentar von Palandt (§ 1376, Rdnr. 31) ist die Tabelle mit den Indexwerten der verschiedenen Jahre abgedruckt. Der Index lag beispielsweise im Jahr 1971 bei 40,0 und 1993 bei 90,0 (die Werte sind natürlich nicht immer so rund). Ein Vermögen von umgerechnet 100.000 Euro im Jahr 1971 war also 1993 schon 225.000 Euro wert und muss bei einer Scheidung 1993 auch mit diesem Wert angesetzt werden.

Grundsätzlich wird übrigens vermutet, dass das Anfangsvermögen null war (§ 1377 Abs. 3). Diese Vermutung, die praktisch nie der Wahrheit entspricht, bedeutet im Endeffekt nur, dass jeder Ehegatte beweisen muss, welches Vermögen er am Anfang der Ehe hatte.

2. Berechnung des Endvermögens

Das Endvermögen ist sehr viel leichter zu berechnen, man muss weder einen lang vergangenen Eigentumsstand nachvollziehen noch das Ergebnis indizieren.

Stichtag ist hier die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrag, also der Tag, an dem dem anderen Ehegatten der Scheidungsantrag durch das Gericht zugestellt wird. (§ 1384 BGB)

3. Feststellung des Zugewinns

Zugewinn ist dann einfach der Betrag, um den das Endvermögen das Anfangsvermögen übersteigt. Mathematisch ausgedrückt ist das eine einfach Subtraktion:

Zugewinn = Endvermögen – Anfangsvermögen

Der Zugewinn kann übrigens nie negativ sein. War das Anfangsvermögen höher als das Endvermögen, hat der Ehegatte nichts hinzugewonnen, der Zugewinn wird auf null festgelegt.

Besteht der Zugewinn dagegen einfach darin, dass nun weniger Schulden als vorher vorhanden sind, so ist dies trotzdem ein Zugewinn.

4. Festlegung der Ausgleichzahlung

Man weiß nun also, wessen Zugewinn höher ist. Ob ein Ehepartner reicher ist als der andere, ist nicht von Bedeutung, es geht nur um die Höhe des Zugewinns. Wer den höheren Zugewinn hat, muss diesen „übermäßige Zugewinn“ zur Hälfte auf den anderen Ehepartner übertragen. (§ 1378 Abs. 1 BGB) Die Ausgleichszahlung wird also so festgelegt, dass danach die beiden Zugewinne gleich sind.

Zugewinnausgleich = 1/2 (höherer Zugewinn – niedrigerer Zugewinn)

Dieser Ausgleich ist aber tatsächlich nur eine Geldzahlung. Ein Ehegatte hat keinen Anspruch darauf, bspw. eines von zwei gekauften Autos zu bekommen. (Freilich können sich die Ehegatten aber darauf einigen.)

Der ausgleichspflichtige Ehegatte muss aber maximal sein gesamtes Vermögen für den Zugewinnausgleich einsetzen, verschulden muss er sich nicht. (§ 1378 Abs. 2 Satz 1 BGB)

Fazit

Bei der Scheidung wird keiner der Ehegatten mehr zahlen wollen als notwendig. Um die Vermögenssummen korrekt zu erfassen, muss man also vor allem auf Vollständigkeit achten.

Dabei muss ein Ehegatte weniger zahlen (bzw. kann mehr verlangen), je geringer sein Zugewinn ist. Einen geringen Zugewinn erreicht man durch ein möglichst hohes rechnerisches Anfangsvermögen und ein möglichst geringes Endvermögen. Beim Partner soll der Zugewinn dagegen möglichst hoch sein, sein Anfangsvermögen also niedrig und sein Endvermögen hoch. Von daher ist es extrem wichtig, darauf zu reagieren, wenn der baldige Ex-Ehegatte auf einmal behauptet, er sei mit riesigen Guthaben und Eigentümern in die Ehe gestartet und nun arm wie eine Kirchenmaus.

Besonderheiten

Diese Art der Berechnung ist insgesamt relativ einfach. Schwieriger sind die Ausnahmen bei der Ansetzung von Vermögen. Denn manche Positionen müssen herausgerechnet oder hinzugerechnet werden. Hierzu werden wir aber noch kommen.

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