Im letzten Beitrag haben wir dargestellt, wie aus dem bisherigen staatslastigen Genehmigungsverfahren für Bauvorhaben, in dem konkrete nachbarliche Interessen allenfalls ein Nebenaspekt sind, ein Rechtsverhältnis werden könnte, in dem mündige Bürger ihre Rechte selbstständig wahren können. Damit würden die Eigentumsrechte der Betroffenen zielgenauer und effektiver gegeneinander abgewogen und wären weniger behördlicher Willkür ausgesetzt.
Heute wollen wir uns ansehen, wie ein derartiges Vorhaben gesetzlich geregelt werden könnte. Dabei müssen wir uns den bisherigen Unterschied zwischen Landesbauordnung und Bundesbaugesetzbuch einfach wegdenken – warum das Grundgesetz dem Bund in dieser zutiefst lokalen Sache überhaupt eine Gesetzgebungskompetenz zubilligt, ist ohnehin nicht verständlich.
Natürlich wären die Paragraphen nicht diejenigen von 1 bis 8, aber für unser Beispiel spielt dies erst einmal keine Rolle.
§ 1 Baurecht
Im Innenbereich hat der Eigentümer eines Grundstücks das Recht, dieses nach seinen Vorstellungen zu bebauen.
Dieser Paragraph stellt eigentlich nur Selbstverständliches fest.
§ 2 Ansprüche anderer Grundstückseigentümer
Wird das Eigentum eines anderen Grundstückeigentümers durch die Bebauung beeinträchtigt, so kann er den Bauherrn auf Beseitigung, Unterlassung und Schadenersatz in Anspruch nehmen, soweit er dem Bau nicht gemäß §§ 3 bis 7 zugestimmt hat.
Auch die Regelung gibt im Wesentlichen nur das wieder, was § 1004 BGB bereits jetzt sagt.
§ 3 Bauanzeige
(1) Der Bauherr hat allen Grundstückseigentümern, die Rechte nach § 2 herleiten können, das beabsichtigte Bauvorhaben anzuzeigen.
Die Nachbarn erhalten so einen Anspruch auf Einsicht in die Pläne des Vorhabens. In erster Linie handelt es sich aber um eine Obliegenheit des Bauherrn, da es im selbst nützt, wenn er die Ausschlusswirkung der Zustimmung herbeiführt.
(2) In Bezug auf Grundstücke, die nicht an das zu bebauende Grundstück angrenzen und die sich vollständig mehr als 50 Meter vom Bauvorhaben entfernt befinden, ist es ausreichend, wenn die Anzeige entsprechend § 26 Abs. 2 der Gemeindeordnung bekannt gemacht wird.
Eine Ausnahmeregelung für den Fall eine sehr großen Betroffenen Nachbarschaft. Hier muss nicht jedem einzelnen Eigentümer zugestimmt werden, es reicht vielmehr, wenn der Bauplan so veröffentlicht wird wie die Gemeinde dies mit Satzungen tun, also im Amtsblatt, durch öffentliche Aushänge etc. Die Rechte der Eigentümer werden dadurch nicht beschnitten, da sie zum einen eine längere Widerspruchsfrist erhalten (§ 4 Abs. 2) und andererseits derart weitgreifende Projekte in aller Regel auch in den Medien besprochen werden, sodass jeder Betroffene davon erfahren wird.
§ 4 Widerspruch
(1) Wer Ansprüche nach § 2 geltend machen will, hat dem Bauvorhaben innerhalb eines Monats nach Zugang der Bauanzeige gegenüber dem Bauherrn zu widersprechen.
(2) In den Fällen des § 3 Abs. 2 verlängert sich die Frist auf zwei Monate.
(3) Erfolgt innerhalb der Frist kein Widerspruch, so gilt dies als Zustimmung.
Der Grundrechtsbehelf des Widerspruchs wird hier eingeführt. Er ist dem Bauherrn innerhalb von einem bzw. zwei Monaten zuzustellen, ansonsten wird die Zustimmung fingiert, womit Rechte des Nachbarn ausgeschlossen werden.
§ 5 Erklärung über den Widerspruch
(1) Auf den Widerspruch hin hat sich der Bauherr innerhalb eines Monats dahingehend zu erklären, ob er am Bauvorhaben festhält. Änderungen am Bauvorhaben stellen ein neues Bauvorhaben dar.
(2) Erfolgt innerhalb der Frist keine Erklärung, so gilt dies als Rücknahme des Bauvorhabens.
Der Bauherr muss dann erklären, ob er bei seinem Plan bleibt. Ändert er das Vorhaben ab, um bspw. dem Widerspruch entgegenzukommen, muss er erneut eine Bauanzeige an sämtliche Nachbarn vornehmen, da es sich um ein neues Projekt mit möglicherweise neuen Störungen handelt.
§ 6 Abschließender Widerspruch
(1) Auf die Erklärung des Festhaltens am Bauvorhaben hin hat sich der Widerspruchsführer innerhalb eines Monats dahingehend zu erklären, ob er am Widerspruch festhält.
(2) Erfolgt innerhalb der Frist keine Erklärung, so gilt dies als Rücknahme des Widerspruchs.
Ist der Bauherr nicht bereit, sein Vorhaben zu ändern oder zu unterlassen, muss der Widerspruchsführer noch einmal klarstellen, dass er bei seiner Haltung bleibt. Dieser Verfahrensschritt leitet bereits sehr klar auf ein gerichtliches Verfahren über, sodass eine weitere einmonatige Überlegungsfrist, innerhalb derer auch Rechtsrat eingeholt werden kann, angemessen ist.
§ 7 Klage auf Zustimmung
Der Bauherr kann bei einem abschließenden Widerspruch auf Zustimmung klagen.
Bleibt der Nachbar bei seinem Nein, kann der Bauherr klagen. Gewinnt er vor Gericht, gilt die Zustimmung als erteilt (§ 894 Satz 1 ZPO).
§ 8 Vorbeugende Unterlassungsklage
Der Widerspruchsführer kann vorbeugend auf Unterlassung des Bauvorhabens klagen, wenn nicht der Bauherr innerhalb von einer Woche nach der abschließenden Widerspruchserklärung erklärt, das Bauvorhaben zu unterlassen.
Beginnt der Bauherr einfach mit seinem Vorhaben, ohne dass eine Zustimmung vorliegt, kann der betroffene Eigentümer gemäß § 2 auf Unterlassung und Beseitigung klagen. § 8 gibt ihm zusätzlich das Recht, wenn die außergerichtlichen Verhandlungen offensichtlich ergebnislos waren, unmittelbar auf Unterlassung zu klagen. Der Nachbar muss also nicht abwarten, bis der Bau schon teilweise fertig gestellt ist, sondern kann direkt vor Gericht gehen. Ein Bedürfnis hierfür entfällt natürlich, wenn der Bauherr zwischenzeitlich erklärt, doch nicht bauen zu wollen.