Rundfunkbeitrag: SWR hält Tübinger Richter für befangen

Die wichtigste Eigenschaft eines Richters ist die Neutralität. Er soll, zumindest in der Theorie, ein Verfahren unparteiisch entscheiden und sich ausschließlich vom Recht leiten lassen, ohne eigene Interessen am Ausgang der Sache und ohne Verpflichtung gegenüber einem der Beteiligten.

Liegt ein Grund vor, der diese Unabhängigkeit gefährdet, insbesondere eine persönliche Beziehung zu einer der Parteien, so ist der Richter von der Ausübung seines Amtes ausgeschlossen. Darüber hinaus kann aber auch jede Partei eine Befangenheit des Richters rügen. Hierfür reicht aber der bloße Verdacht aus:

Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.
(§ 42 Abs. 2 ZPO, § 24 Abs. 2 StPO)

Befangenheitsanträge selten erfolgreich

Am häufigsten werden hier Äußerungen des Richters gerügt, die in irgendeiner Form befürchten lassen, er habe sich bereits festgelegt, wie das Urteil ausfallen wird.

Die allermeisten Befangenheitsanträge haben keinen Erfolg, führen aber zu einer – oft erheblichen – Verzögerung des Rechtsstreits. Daher haben Befangenheitsanträge allgemein keinen besonders guten Ruf und gelten teilweise gar als querulatorisch. Man sollte sich ihre Stellung jedenfalls sehr gut überlegen.

Nun hat der Südwestrundfunk einen Befangenheitsantrag gegen einen Richter am Landgericht Tübingen gestellt. Nicht gegen irgendeinen Richter, sondern gegen den Richter, der regelmäßig in der 5. Zivilkammer Entscheidungen zu Lasten der GEZ gefällt hat, Herrn Dr. Sprißler. Dazu gehörten bspw. die Beschlüsse, mit denen

Richter hatte oft gegen Rundfunk entschieden

Dr. Sprißler soll nicht nur einem einzelnen, sondern in zahlreichen – man kann annehmen: in allen – Verfahren um Zwangsvollstreckungsmaßnahmen des SWR abgelöst werden.

Mit diesen Entscheidung stand der Richter, das muss man sagen, meist eher allein auf weiter Flur. Seine Kollegen hatten weniger Hemmungen, die Beitragsfinanzierung des politisch erwünschten Staatsrundfunks ohne größere Bedenken zu bestätigen.

Und das war nun Anlass für den SWR, die Unparteilichkeit dieses Richters in Frage zu stellen. Hierauf hat der Richter eine dienstliche Stellungnahme verfasst, die diese Vorwürfe zurückweist. Im Einzelnen wird folgendes ausgeführt:

1. Entscheidung als Einzelrichter statt in der Kammer

Grundsätzlich sind an den Landgerichten Einzelrichter zuständig. Nur, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder grundsätzliche Bedeutung hat, muss er sie an die gesamte Kammer mit drei Richtern überweisen (§ 568 Satz 2 ZPO).

Wenn das Landgericht als Beschwerdeinstanz entscheidet, ist diese Entscheidung grundsätzlich nicht mehr anfechtbar. Etwas anderes gilt nur, wenn das Gericht diese zulässt, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat oder zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung der BGH entscheiden soll (§ 574 Abs. 1 bis 3 ZPO).

Der SWR rügt nun, dass der Richter einerseits die grundsätzliche Bedeutung bejaht und deswegen die Rechtsbeschwerde an den BGH zugelassen habe, andererseits aber die grundsätzliche Bedeutung abgelehnt habe, weil er nicht an die Kammer übertragen hat.

Der Richter hat darauf erwidert, er habe nicht wegen der grundsätzlichen Bedeutung die Rechtsbeschwerde zugelassen, sondern zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Dieser Zulassungsgrund führt aber nicht dazu, dass zugleich auch die Kammer zuständig wäre.

2. Verstoß gegen gesetzlichen Richter

Das Recht auf den gesetzlichen Richter ist ein Grundpfeiler des deutschen Rechtsstaatsverständnis. Der für ein bestimmtes Verfahren zuständige Richter soll nicht „zugeteilt“ werden, sondern er soll aufgrund allgemeiner Regeln bereits im Vorhinein feststehen. Dafür gibt es einen Geschäftsverteilungsplan bei jedem Gericht, der ohne menschliches Ermessen festlegt, welchem Richter welches Verfahren zugewiesen ist.

Der SWR rügt im Wesentlichen, dass der Einzelrichter nicht mehr selbst die Rechtsbeschwerde hätte zulassen dürfen, sondern das Verfahren dafür an die Kammer hätte abgeben müssen.

Dem entgegnet Dr. Sprißler mit dem durchaus einleuchtenden Argument, dass das gerade gegen seine Voreingenommenheit spricht. Denn mit der Zulassung der Rechtsbeschwerde hat er dem SWR erst die Möglichkeit eröffnet, die Beschwerdeentscheidung durch den BGH überprüfen zu lassen. Dass das nun als Argument für seine Voreingenommenheit gegen den SWR gewertet wird, sei kaum nachvollziehbar.

3. Entscheidung entgegen dem BGH

Im deutschen Rechtskreis ist jeder Richter grundsätzlich unabhängig und muss seine eigenen Entscheidungen treffen. Dazu gehört auch, dass er das Recht unter Umständen anders auslegt als das übergeordnete Gericht. Dieses Recht hat er und die Beteiligten müssen das ggf. über Rechtsmittel, also über die Anrufung des höheren Gerichts, beanstanden.

Der SWR machte aber genau daran die Befangenheit des Richters fest. Er „umgehe“ die „eindeutigen Vorgaben des BGH“ und beachte dessen Rechtsprechung nicht.

Dem stellt sich der Tübinger Richter durch einen prägnanten Hinweis auf das geltende Recht entgegen: „Weder gibt es Vorgaben noch eine Bindung.“

4. Nichtbeachtung grundsätzlicher Prinzipien der Zwangsvollstreckung

Diesen Vorwurf erhebt die Landesrundfunkanstalt nur stichpunktartig, führt ihn aber nicht nachvollziehbar aus.

Dementsprechend kurz ist auch hier wieder die Entgegnung von Dr. Sprißler: Er mag zwar in mancher Hinsicht andere Ansichten vertreten als der SWR, ein Befangenheitsgrund ist das aber noch nicht.

Bewertung

Der Befangenheitsantrag des SWR ist zwar auf den ersten Blick ausführlich begründet, da er die ganzen Entscheidungen, die gegen ihn ergangen sind, noch einmal penibel aufführt. Dabei übersieht dessen Rechtsabteilung aber offensichtlich, dass allein die Unzufriedenheit mit Entscheidungen eines Richters noch lange keine Befangenheit begründen kann.

Der abgelehnte Richter hat auch nachvollziehbar dargelegt, warum die wenigen rechtlich relevanten Vorwürfe gegen ihn unzutreffend sind und dass der Südwestrundfunk seine Entscheidungen vielleicht nicht ganz verstanden hat.

Man kommt nicht ganz umhin, zu vermuten, dass es in erster Linie darum geht, sich eines Richters zu entledigen, der einfach „zu genau“ hinschaut, was der SWR macht. Die Landesrundfunkanstalten und die von diesen eingeschalteten Vollstreckungsbehörden sind es gewohnt, dass ihnen mit einem gewissen Wohlwollen teilweise groteske formelle Schlampereien verziehen werden. Wenn es nun einen Richter gibt, der nicht ganz so willig ist, alles so auszulegen, dass es gerade noch dem Gesetz entspricht, dann ist das wohl nicht zu ertragen…

Hier gibt es das ganze nochmal als Video mit einigen zusätzlichen Erklärungen:

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