Die Präklusion nach § 296 Abs. 1 ZPO

Im letzten Artikel ging es um die Präklusion an sich und um die Bestimmungen des § 296 Abs. 2, der aufgrund seiner recht unverbindlichen Formulierung eher selten zum Zug kommt.

Praktisch höchst bedeutsam ist dagegen § 296 Abs. 1:

Angriffs- und Verteidigungsmittel, die erst nach Ablauf einer hierfür gesetzten Frist (§ 273 Abs. 2 Nr. 1 und, soweit die Fristsetzung gegenüber einer Partei ergeht, 5, § 275 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, 4, § 276 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3, § 277) vorgebracht werden, sind nur zuzulassen, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt.


Zu den einzelnen Paragraphen, auf die verwiesen wird, kommen wir gleich noch. Klar ist jedenfalls, dass es hier um die Versäumung von Fristen geht. Das Gericht ordnet an, dass eine der Parteien etwas innerhalb einer bestimmten Zeit tun muss. Kommt sie dem nicht nach, dann war’s das und das Gericht darf das Vorbringen danach nicht mehr berücksichtigen.

Allgemeine Vorschrift zur Notwendigkeit des rechtzeitigen Vorbringens ist dabei § 277 ZPO. Dieser setzt in dem Moment ein, wo der Kläger seine Klageschrift eingereicht und damit das Verfahren in Gang gesetzt hat. Nun bekommt der Beklagte die Klageschrift zugestellt und kann (bzw. muss) selbst darauf reagieren. Er muss darlegen, warum die Klage nicht begründet ist und wie er das Gericht hiervon überzeugen will:

(1) In der Klageerwiderung hat der Beklagte seine Verteidigungsmittel vorzubringen, soweit es nach der Prozesslage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entspricht.

(4) Für die schriftliche Stellungnahme auf die Klageerwiderung gelten Absatz 1 Satz 1 (…) entsprechend.

Der letzte Absatz betrifft die Erwiderung des Klägers auf die Erwiderung des Beklagten, die sogenannte Replik. Eine solche wird das Gericht in der Regel nur anordnen, wenn es Anlass dazu gibt. Bestreitet aber bspw. der Beklagte, dass ein Kaufvertrag zustandegekommen ist, wird der Kläger in seiner Replik Beweismittel anführen müssen, aus denen sich seine Behauptung herleiten lässt. Das muss er dann rechtzeitig einreichen.

Wir befinden uns hier noch vor dem eigentlichen Prozess, wie man ihn sich so vorstellt, also im Gerichtssaal. Trotzdem findet hier bereits eine juristische Auseinandersetzung statt. Dabei hat das Gericht die Wahl ob es gemäß § 272 Abs. 2 ZPO ein schriftliches Vorverfahren oder einen frühen ersten Termin (also eine baldige mündliche Verhandlung) anordnet.

Das schriftliche Vorverfahren ist tatsächlich ein Vorverfahren, also es muss danach noch ein mündlicher Termin stattfinden. Aber dadurch, dass vieles bereits zuvor schriftlich dargelegt wurde, kann sich die mündliche Verhandlung deutlich verkürzen. Zudem weiß das Gericht so bereits, worum es geht und worin sich die Positionen der Parteien unterscheiden. In diesem Vorverfahren gibt es Klageerwiderung und Replik, wie sie bereits oben definiert wurden. Die spezifischen Regeln des schriftlichen Vorverfahrens bestimmt § 276 Abs. 1:

(1) (…) Zugleich ist dem Beklagten eine Frist von mindestens zwei weiteren Wochen zur schriftlichen Klageerwiderung zu setzen.

(3) Der Vorsitzende kann dem Kläger eine Frist zur schriftlichen Stellungnahme auf die Klageerwiderung setzen.

Entscheidet sich das Gericht gegen ein schriftliches Vorverfahren, so kommt es zu einem frühen ersten Termin. Dieser Termin muss nicht der erste von mehreren sein, es ist auch möglich, dass das der einzige Termin bleibt. Und ganz besonders „früh“ ist dieser auch in aller Regel nicht. Häufig geht es auch einfach darum, die Parteien einfach gemeinsam vor dem Richter zu haben und ggf. das weitere Vorgehen zu klären. Aber auch die Vorbereitung dieses Termins erfolgt im Wesentlichen durch Schriftsätze.

(1) Zur Vorbereitung des frühen ersten Termins zur mündlichen Verhandlung kann der Vorsitzende (…) dem Beklagten eine Frist zur schriftlichen Klageerwiderung setzen.

(3) Das Gericht setzt in dem Termin eine Frist zur schriftlichen Klageerwiderung, wenn der Beklagte noch nicht oder nicht ausreichend auf die Klage erwidert hat und ihm noch keine Frist nach Absatz 1 Satz 1 gesetzt war.

(4) Das Gericht kann dem Kläger in dem Termin oder nach Eingang der Klageerwiderung eine Frist zur schriftlichen Stellungnahme auf die Klageerwiderung setzen.

Nach § 273 Abs. 2 Nr. 1 kann das Gericht die Präzisierung dieser Schriftsätze fordern:

Zur Vorbereitung jedes Termins kann der Vorsitzende oder ein von ihm bestimmtes Mitglied des Prozessgerichts insbesondere
1. den Parteien die Ergänzung oder Erläuterung ihrer vorbereitenden Schriftsätze aufgeben, insbesondere eine Frist zur Erklärung über bestimmte klärungsbedürftige Punkte setzen;
5. Anordnungen nach den §§ 142, 144 treffen.

Anordnungen nach § 142 beziehen sich auf für den Prozess erhebliche Urkunden, die eine Partei in ihrem Besitz hat, bspw. ein Kaufvertrag. Wenn es auf diesen ankommt, kann das Gericht den Beteiligten dazu verpflichten, diesen Vertrag innerhalb einer gewissen Frist vorzulegen. Ganz ähnlich ist § 144, nur hier geht es um Gegenstände, die das Gericht in Augenschein nehmen muss, zum Beispiel den gekauften Fernseher, von dem der Käufer behauptet, er sei kaputt. Kommt man dem nicht rechtzeitig nach, kann man sich nachträglich nicht mehr darauf berufen, der Richter hätte beim Augenschein feststellen können, dass der Fernseher kaputt ist.

Die Systematik dieser Regeln ist nicht ganz einfach zu durchblicken. Für den Laien lässt sich aber eines ganz klar sagen: An gerichtliche Fristen sollte man sich halten, wenn es nur irgendwie möglich ist.

Was aber, wenn es unmöglich ist? Hierzu sehen wir uns den Gesetzestext noch einmal an: Verspätete Angriffs- und Verteidigungsmittel „sind nur zuzulassen, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt.“

Eine ausreichende Entschuldigung ist also die eine Möglichkeit. Diese liegt aber nur vor, wenn die Partei (und auch ihren Anwalt) keine Schuld daran trifft, dass das Vorgehen verspätet war. Das ist in der Regel nur der Fall, wenn sie das Mittel nicht kannte und auch nicht ohne Weiteres hätte erkennen können. Erfährt eine Partei also zu spät von einem Zeugen, ist es nicht ihre Schuld. Hatte sie den Zeugen nur vergessen, dagegen schon. Wenn sie wusste, dass es einen Zeugen gibt, sie dessen Namen aber nicht kannte, ist die Frage, ob sie diesen innerhalb der Frist hätte herausfinden können.

Denkbar ist auch, dass sich das Verfahren trotz der Verspätung nicht verzögert. Das ist dann der Fall, wenn der Prozess mit der Berücksichtigung des Vorbringens nicht später abgeschlossen wird als ohne. Ist also sowieso noch ein Sachverständigengutachten einzuholen, das frühestens in vier Wochen fertig ist, dann kann eine Partei auch noch einen Zeugen benennen, der innerhalb der nächsten vier Wochen vernommen werden kann. Außerdem kann eine Partei Zeugen, die sie bisher nicht benannt hat, zur Verhandlung mitbringen. Denn auch, wenn der Termin dadurch etwas länger dauert, handelt es sich um keine Verzögerung im Sinne des Gesetzes. Die Vorschrift soll ja nicht den Richter davor schützen, dass er später Feierabend hat, sondern er soll den Parteien ein baldiges Urteil versprechen.

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