Die Präklusion nach § 296 Abs. 2 ZPO

Beschleunigung ist ein wichtiger Faktor im Zivilprozessrecht. Von der Klageeinreichung bis zum rechtskräftigen Urteil soll möglichst wenig Zeit vergehen, damit schnell Rechtssicherheit herrscht. Und wenn sich schon die Gerichte häufig Zeit lassen (allein schon aus Überlastungsgründen), dann sollen sich wenigstens die Parteien beeilen.

Zentrale Vorschrift dafür ist § 296 ZPO, der es dem Gericht erlaubt, alles, was die Parteien zu spät vorgebracht haben, einfach zurückzuweisen und zu ignorieren. In der juristischen Terminologie spricht man davon, dass das Vorbringen „präkludiert“ ist. Auf diese Weise wird zwar in Kauf genommen, dass das Urteil auf falscher Tatsachenbasis beruht und damit auch falsch ist. Das bedeutet, dass jemand einen eigentlich bestehenden Anspruch nur aufgrund falschen Prozessverhaltens verliert, aber diese negativen Folgen hat sich jede Partei selbst zuzuschreiben.

Wenn man genau hinsieht, merkt man aber, dass es nicht wirklich um „alles“ Vorgebrachte geht, sondern genauer nur um Angriffs- und Verteidigungsmittel. Das sind aber wiederum alle Mittel, die der Partei zum Sieg verhelfen sollen, also eigene Behauptungen sowie das Bestreiten gegnerischer Behauptungen, Einwendungen, Einreden, die Erklärung der Aufrechnung, Beweisanträge usw. Keine Angriffsmittel sind aber Angriffe selbst, also beispielsweise die Änderung oder Präzisierung der Klage oder die Erhebung der Widerklage.

Beginnen wir zunächst mit dem in der Praxis weit weniger bedeutenden Absatz 2 der Vorschrift:

Angriffs- und Verteidigungsmittel, die entgegen § 282 Abs. 1 nicht rechtzeitig vorgebracht oder entgegen § 282 Abs. 2 nicht rechtzeitig mitgeteilt werden, können zurückgewiesen werden, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und die Verspätung auf grober Nachlässigkeit beruht.

§ 282 sieht nun vor, dass die Angriffs- und Verteidigungsmittel „zeitig“ vorgetragen werden müssen:

(1) Jede Partei hat in der mündlichen Verhandlung ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel, insbesondere Behauptungen, Bestreiten, Einwendungen, Einreden, Beweismittel und Beweiseinreden, so zeitig vorzubringen, wie es nach der Prozesslage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entspricht.
(2) Anträge sowie Angriffs- und Verteidigungsmittel, auf die der Gegner voraussichtlich ohne vorhergehende Erkundigung keine Erklärung abgeben kann, sind vor der mündlichen Verhandlung durch vorbereitenden Schriftsatz so zeitig mitzuteilen, dass der Gegner die erforderliche Erkundigung noch einzuziehen vermag.

Was „zeitig“ genau bedeutet, ist kaum allgemein festzulegen. Auch der Hinweis auf die „sorgfältige und auf Förderung des Verfahrens bedachte Prozessführung“ hilft nicht wirklich weiter. Die Fachliteratur hierzu bleibt ebenfalls schwammig. Eine Einrede sei, so der renommierte Kommentar „Thomas/Putzo“, so zeitig vorzubringen wie dies „möglich und vernünftig“ sei, auch dürfe müsse sie „konzentriert und nicht tröpfchenweise“ erhoben werden. Der „Baumbach“-Kommentar sieht das Gericht in der Pflicht, den „altbekannten Schlendrian der Parteien“ zu unterbinden und will darunter Nachlässigkeit und Verschleppungsabsicht verstehen. Die Frage der Verspätung ist hier also höchst subjektiv und es finden sich in der Literatur daher hauptsächlich Beispiele, wann ein Vorbringen nicht zu spät ist.

Dazu kommt noch, dass das Gericht diese Mittel nicht etwa zurückweisen muss, sondern das nur kann. In dieses „Kann“ fließen neben dem Beschleunigungsbedürfnis natürlich auch grundlegende Gerechtigkeitserwägungen ein. Und daher wird es selten passieren, dass ein Richter sagt: „Lieber Kläger, weil Ihre Prozessführung meinem subjektiven Verständnis von zügiger Prozessführung nicht entspricht, weise ich Ihr Vorbringen, dass der Zeuge X Ihre Position vollumfänglich bestätigen würde, vollumfänglich zurück. Ihr Anspruch, den Sie höchstwahrscheinlich haben, löst sich damit in Luft auf. Tja, Pech gehabt“.

Die Rechtspraxis tut gut darin, sich mit der Nutzung dieser Präklusionsvorschrift sehr zurückhaltend zu zeigen. Will ein Richter dafür sorgen, dass ein bestimmtes Vorbringen zeitnah passiert oder verdächtigt er eine Partei, das Urteil möglichst weit hinauszögern zu wollen, dann muss er eben eine klare Frist setzen. Das sorgt für Rechtssicherheit und die Versäumung dieser Frist hat dann auch in aller Regel die Folge der Präklusion.

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